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ich wurde auf einem sinkenden Schiff geboren. meiner Mutter blieben nur 18 Minuten, um mich mit einem Seufzen in die Welt zu pressen. ich wäre ganz gerne noch ein wenig in der Dunkelheit verblieben, doch Mutter schob und Vater zog. dann kam das Wasser und ich hörte meine Mutter schreien. ansonsten war es still, totenstill. große Schiffe sinken in einer Ruhe, in der die Zeit keine Rolle spielt, wie du weißt.

dann war niemand mehr da, nur zwei Männer, die mich in Decken wickelten. Vater saß weinend am Bug des Rettungskahns. ihm blieben noch 12 Jahre bis auch er unterging, gemeinsam mit seinem Land. bis dahin hatte er mich gerüstet und ausgestattet mit einem Regal voll von Wörterbüchern, Lexika und anderen schlagenden Werken und mich gelehrt, Spiegeleier und Würste zu braten.

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Jahre später sitze ich an meinem Schreibtisch und recherchiere die Details der Schiffskatastrophen meines Geburtsjahres. immer wieder treibt es mich darauf zurück, nach Anhaltspunkten zu suchen, nach Fakten und möglichen Überschneidungen, die Zusammenhänge der Geschichte zu erinnern. sich erinnern.. mein Unvermögen und mein Unwille, das sich-nicht-erinnern-können als Wohltat anzusehen.

und nun wieder treibt es mich auf dich zurück: was machst du? hör auf damit! komm zu mir. und noch weiter, denn du nimmst mich an die Hand und begleitest mich an einen Ort, an dem es keine Bücher gibt und keine Worte für eine Weile. warum tust du das? und warum tust du es nicht?