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Mein Mund findet und ergreift Lippen, die nicht ihm gehören und netzend, nässend erlaube ich Feuchte aufzusteigen. Der Sumpf. Die Nehrung. Händlings erreiche ich die Beuge deines Arms und an tiefer dellig sich wölbenden Plätzen lockern sich Muskel, erwärmen umliegendes Fleisch und das Lager.

Ich denke an nichts, habe alle Worte verloren.

Glutheiß durchfährt es meine Finger, Mund und ein Stich als du dich abwendest: Diese Hand soll hier nicht sein. Diese Hand gehört abgehackt. Diese Lippen dürfen dich nicht liebkosen. Diese Lippen gehören weggeätzt. Dieses Herz darf hier nicht beben. Dieses Gefühl gehört ausgebrannt. Gehören diese Menschen hier vereint?

Hätte wenn aber, ersparen wir uns das! Solch dürre Weide macht den Hasen nicht fett. Rot – schwarz – grün. Die Schlange, züngelnd den finalen Biss einleitend, lächelt das Kaninchen an.

Ich merke nichts mehr eine Weile, dann geht ein Donner vor dem Fenster nieder und sein Vorläufer Blitz, diesmal hintendran, ergleißt das schnöde Interieur, rückt Krüppel unter Lumpenhaufen nachthell auf die Bühne verpasster Möglichkeiten. Auf dem Theater fällt jetzt der Vorhang. Auf dem Bahnhof ertönt jetzt ein gellender Pfiff. Der große Putzer, der Zampano, greift Raum. Ich beobachte ihn, wie er seinen Besen hebt und hinwegfegt, was vage im Entstehen begriffen, einen Traum vorwegnehmend.

Sich abfinden. Für meine Liebe gibt es keinen Ort und keine Hoffnung und mit den Tagen werden die Phantasiewelten sich verschließen. Zu dieser Tür wurde ein Schlüssel nicht gefeilt.

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(bomb the bass 2010)

es ist nicht so sehr etwas, was fehlt, als etwas, was nicht gefunden wurde.

vielleicht etwas, was nicht erinnert wird.

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(Jeanette Winterson: Kunst und Lügen)

Liebes,

seit Tagen bist du fern. nicht nur, dass ich nicht dein Auge schauen darf.. keine Nachricht, kein Zeichen deiner Anwesenheit weder im Irgend- noch im Nirgendwo. geh von mir, aber verlass mich nicht. sprich mit mir, doch wähle keine Worte.

ich frage nicht, wo du bist, werde es nie tun. glaube zu wissen.

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Verschwundensein. der durch nichts zu übertreffende Reiz und Kitzel des Versinkens. wir kennen uns schon lange und können uns kaum beim Namen nennen.  tiefe, immer währende Präsenz in der Abwesenheit. das ist meine Liebe.

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erinnere mich!

Liebes,

das Beginnen fällt schwer. ein Gedanke tat sich auf, eine Erinnerung.

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der frühe Schmerz wird geboren aus Angst.

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meine Welt ist ein Käfig, den ich zu meiner Sicherheit bewohne. anfangs Gefängnis ist er mir nun Asyl. auf der anderen Seite der Stäbe finden die normalen Leben statt, die inneren und äußeren. bisweilen vermischen sie sich, wie an jenem Abend als ein Blitz in das Zimmer fährt. die gleißende Helle reißt mich aus dem Schlaf. danach beginnt das Schreien im Zimmer, nur ich bleibe stumm. mit den Händen die Stäbe umklammernd schaue ich in die Schwärze, die dem Blitz folgt. ein dunkles Loch, das sich auftut und von innen nach außen alles Sichtbare verschluckt. ich fühle blind. ich werde es bleiben.

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erinnere mich!

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(Mutter 1994)

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(Neuengamme 2009)

Ein Sommerabend im Reich der Trinker, eine Verbesserung war angesetzt, es sollte schöner werden, Frauen sollten kommen, eine Katze war schon da. „Na Muschi”, beugt sich einer über die Sessellehne und versucht Nähe zu dem Tier aufzubauen des Freundes wegen, und der Frauen wegen, später. Der Versuch scheitert, muss scheitern. „Du hast halt keine Ahnung”, sagt dann auch der Besitzer der Katze und der Wohnung. Schweigen. Man muss eine Verbindung herstellen, das ist allen klar, bevor die Zeit endgültig überschritten ist und sich wieder einer aufhängt. Auch im Baumarkt muss eine Entscheidung gefällt werden. Schön ist vieles oder nichts, wenn man’s nicht kennt, und so wird ELFENBEIN gewählt in Eimern, nur das Bier wird nicht reichen.

Die olle Tapete soll runter, der Gilb, der dünne Trinker weicht sie ein und der Schlichte fuhrwerkt mit dem Spachtel über die Wand, schleudert schmoddrig stinkendes Papier durch das Zimmer und gegen den Kopf des Dicken. Es kommt zu einer Kabbelei auf dem Boden zwischen Farbeimern und aufgeweichter Tapete, aus welcher der schwere Trinker auf Grund seiner enormen Leibesfülle als Sieger herauskriecht, keuchend zwar, „aber immerhin”, sagt der Dünne und holt sich aus dem Kühlschrank eine Scheibe Käse.

Elfenbein: eine gute Wahl, eine Kerze wird angezündet, eine Serviette auf dem Tisch, Beine ausgestreckt. Hitzewellen erobern den Raum, der lethargisch daliegt in seiner Pracht, in den Schläfen der Trinker hat alles Pulsieren ein Ende. Vor dem Fenster bricht der Asphalt auf dem Parkplatz und aus den Wunden wuchert Löwenzahn, den schnöden Ort verzaubernd. Warten, man kann nichts erzwingen, es muss geschehen, so oder so.

Der schlichte Trinker greift zum Spachtel und öffnet sich das letzte Bier, während auf der anderen Seite der Balkontür ein Regen hernieder geht und gleichzeitig verzweifelte Sonnenstrahlen dünnen Fingern gleich die scheußliche Landschaft abtasten und die Köpfe auf dem Parkplatz zum Leuchten bringen. Später dann wird der schwere Trinker noch mal losgehen nach Bieren und im Ende liegen sie da, verwelktes Geschlecht, verdorrt in Boden und abgrundtiefer Einsamkeit und röcheln im Schlaf. Die Muschi tänzelt über Autodächer.

(2006. aber ich glaube, dieser wird wieder so ein Sommer.)


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